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Thesen des Deutschen Städtetages zur Weiterentwicklung lokaler Demokratie – Alles nicht so einfach ...


Die aktuellen Thesen des Deutschen Städtetages (DST) zu lokaler Demokratie und Bürgerbeteiligung enthalten viel Richtiges, Bedenkenswertes – aber sie animieren nicht, sondern lassen einen leicht seufzend zurück: ah ja, alles nicht so einfach …

Das rührt daher, dass im Papier viel Widersprüchliches enthalten ist, es allen recht gemacht werden soll – und die Latte wünschbaren Verwaltungshandelns bei der Kommunikation mit der Bürgerschaft so hoch gelegt wird, dass auch der gutwilligste Verwaltungsmensch sie nie überspringen wird.

In Nr. 2 auf S. 5 heißt es beispielsweise: »Kommunikation muss ein zentrales strategisches Element jedes Beteiligungsprozesses sein (…) weit im Vorfeld der eigentlichen Beteiligungsverfahren beginnend, unterschiedliche Zielgruppen adäquat ansprechend, immer wiederkehrend, verständlich komplexe Verwaltungsprozesse erklärend, offen und transparent, nachvollziehbar und glaubwürdig, professionell organisiert und integriert.«

Zu Beginn wird zunächst das Hohelied der Einbeziehung der Bürger »in die Aufgabenerfüllung der örtlichen Gemeinschaft« gesungen. Sie ist der »Kern der kommunalen Selbstverwaltung«.

Aber schon im nächsten Satz  wird darauf hingewiesen, dass die zentralen Verwaltungsorgane der Gemeinden aus der Mitte der Bürgerschaft gewählt werden und dass die Bürgerinnen und Bürger in den Gemeindevertretungen selbst über die Geschicke der Gemeinde entscheiden und dass – das wird nicht gesagt, aber quasi nahegelegt – damit eigentlich schon die Bürgerbeteiligung vollzogen sei.

Aber die Mehrheitsentscheidungen werden vielfach nicht mehr von (Teilen) der Bürgerschaft akzeptiert, so dass die »Legitimität durch Verfahren immer wieder gestärkt werden muss«. Andererseits sollen nach erfolgter Bürgerbeteiligung die Mehrheitsentscheidungen von allen akzeptiert werden.

Es wird an Rat und Verwaltung appelliert, die Bürgerbeteiligung als Chance zur Verbesserung der Qualität und Akzeptanz von Planungsprozessen und kommunalpolitischen Entscheidungen zu begreifen (Nr. 1 auf S. 2) und die eigene Kommunikationsfähigkeit beim Dialog mit der Bürgerschaft zu erhöhen (Nr. 1 auf S. 5). Andererseits wird auf die Kosten der Bürgerbeteiligung hingewiesen und vor der Gefahr gewarnt, dass Bürgerbeteiligung eine Frage der direkten und indirekten Kosten werden könnte (Nr. 2 auf S. 6 ) – also ein sanft vorgetragener Finanzierungsvorbehalt.

Zur erfolgreichen Umsetzung der Bürgerbeteiligung sei ein Bewusstseinswandel notwendig mit dem Ergebnis einer gemeinsamen Grundhaltung, dass »eine Stadt nur gemeinsam durch alle Beteiligte gestaltet werden kann« (S.6). Dieser Bewusstseinswandel wird aber »unvermeidlich eine gewisse Zeit brauchen«.

Da scheint also keine Eile geboten zu sein – zumal die Kommunen sich schon »seit Jahrzehnten zu Laboratorien der informellen Bürgerbeteiligung entwickelt« haben. (Nr. 1 auf S. 3) Dies wird richtigerweise als Zeichen für die Lebendigkeit und Kreativität der lokalen Demokratie gewertet.

Es wird aber daraus nicht der Schluss gezogen, dass eine Verstetigung sinnvoll sei, die durch Landes- oder Bundesrecht garantiert werden könnte, sondern es wird ganz energisch auf die kommunale Selbstverwaltung auch bei der Art und den Verfahren der Bürgerbeteiligung gepocht: »Die Entwicklung einer eigenständigen Beteiligungskultur vor Ort darf nicht reglementiert oder zentral vorgegeben werden.« (Nr. 1 auf S. 6)

Damit wird die Ausgestaltung der lokalen Partizipationsverfahren weiterhin dem Zufall bzw. dem persönlichen Ehrgeiz und Engagement einzelner Kommunalpolitiker überlassen – so wie dies seit den 70er Jahren (in Westdeutschland) der Fall war und ist. Um Landes- oder Bundesregelungen für die Weiterentwicklung der kommunalen Beteiligungskultur abzuwehren, wäre es sinnvoll, im Rahmen einer Empfehlung oder gar eines Handbuchs die Vielzahl der im Thesenpapier nur angesprochenen Fragen konkreter zu beantworten, z.B:

  • die Handhabung der Betroffenenbeteiligung im Unterschied zur Allgemeinheitsbeteiligung
  • die Beteiligung bzw. vorherige Motivierung von benachteiligten und bildungsfernen Bevölkerungsgruppen
  • die kommunalpolitische Schul- und Erwachsenenbildung als Rahmenbedingung für  niedrigschwellige Partizipation
  • die Fortbildung der Verwaltung für die neuen Aufgaben der Bürgerkommunikation und -moderation
  • die Vereinfachung von Partizipationsverfahren, um die Beteiligungskosten zu senken und dadurch eine flächendeckende Mitwirkung zu ermöglichen
  • die Handhabung von Bürgerhaushalten und Bürgerbegehren – soweit nicht schon landesrechtlich geregelt.

Es ist noch nicht zu spät, denn auch die Gesetzgeber in Land und Bund sind nicht so schnell – oder haben es nicht eilig.


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