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Gießen
+++ Beteiligungssatzung nach Beanstandung überarbeitet +++
Mit einem Beschluss über die »Leitlinien für eine strukturierte Bürgerbeteiligung« und die zugehörige Bürgerbeteiligungssatzung haben die Stadtverordneten Gießens am 19. März 2015 das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf mehr politische Mitsprache festgeschrieben.
Nach zwei Jahren sollte eine Evaluation der Regelwerke erfolgen. Ein Arbeitskreis, bestehend aus Verwaltung, Politik und Bürgerschaft, sollte die die Erprobungsphase begleiten und insbesondere Impulse für Beteiligungsverfahren geben.
Am 7. September 2015 erließ das Regierungspräsidium Gießen eine Beanstandungsverfügung gegen Teile der Beteiligungssatzung. Die Stadtverordnetenversammlung beauftragte den Magistrat durch mehrheitlichen Beschluss vom 8. Oktober 2015, Klage gegen die Verfügung zu erheben. Am 2. März 2018 urteilte das Gießener Verwaltungsgericht und erklärte die Rechtmäßigkeit der Beanstandungen und die Satzung teilweise bei Regelungen zur Bürgerfragestunde, zur Bürgerschaftsversammlung und zum Bürgerantrag für rechtswidrig. Zudem ließ das Gericht eine Berufung gegen sein Urteil nicht zu. Die Stadt Gießen hatte daraufhin beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof beantragt, die Berufung zuzulassen.
Wie die Stadt im Januar 2022 mitteilte, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass die Satzung in Teilen nicht rechtskonform ist. Damit sei die Entscheidung des Gießener Verwaltungsgerichts nun rechtskräftig. Die Satzung dürfe in der derzeitigen Form deshalb nicht weiter angewendet werden und werde ausgesetzt. Die Verwaltungsspitze will die Satzung in den beanstandeten Passagen überarbeiten: Spätestens bis zur Sommerpause 2022 sollte nach dem Willen des Oberbürgermeisters der Entwurf für eine Änderungssatzung vorgelegt werden.
Am 31. Januar 2023 stellte der Oberbürgermeister der Stadt Gießen die Regelungen einer neuen »Einwohnerbeteiligungssatzung« vor Journalisten vor, über die – laut Medienberichten – erstmals in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 23. Februar 2023 beraten werden soll. Bei der Formulierung der Satzung habe die Verwaltung sich eng mit der Kommunalaufsicht beim Regierungspräsidium sowie mit dem hessischen Innenministerium abgestimmt, um zu einem gerichtsfesten ortsrechtlichen Regelwerk zu kommen.
Am 23. Februar 2023 beschloss die Gießener Stadtverordnetenversammlung der Änderung der Beteiligungssatzung in namentlicher Abstimmung mehrheitlich.
Wesentliche Inhalte von Leitlinien und Satzung
Ein zentraler Gegenstand ist die Einrichtung einer Vorhabenliste, die online auf dem Portal »Gießen DIREKT« und in gedruckter Form über städtische Projekte informiert. Einwohner/innen haben die Möglichkeit, die Vorhaben zu kommentieren. Weiterhin können, laut Beteiligungssatzung, ein Prozent der in Gießen gemeldete Einwohner/innen nun Bürgerversammlungen anregen oder Bürgeranträge an die Stadtverordnetenversammlung richten. Der Magistrat soll die Einwohner/innen an Vorhaben angesichts ihrer großen Bedeutung oder auf Grundlage von Kommentaren zur Vorhabenliste, Rückmeldungen in einer Bürgerversamlung oder im Rahmen einer Bürgerbefragung in geeigneter Weise beteiligen.
Die Leitlinien sehen hierzu fallspezifischen Beteiligungskonzepte und eine sorgfältige Prozessgestaltung mit klaren Spielregeln vor. Die Entscheidungsträger/innen sollen nach eingehender Abwägung Rechenschaft über den Umgang mit Ergebnissen von Bürgerbeteiligung ablegen.
Als Ansprechpartner für Verwaltung und Bürgerschaft soll der Magistrat ein Büro für Bürgerbeteiligung einrichten.
Änderung 2023: Die Regelungen beziehen sich nun auf die Stadtverordnetenversammlung, nicht auf den Magistrat. Die Bestimmungen zur Bürgerfragestunde, zur Bürgerschaftsversammlung und zum Bürgerantrag wurden im Einzelnen verändert. Laut neuer Satzung – nun »Satzung zur Beteiligung der Einwohnerschaft der Universitätsstadt Gießen« – kann das Stadtparlament allen Einwohner/innen der Stadt weiterhin die Möglichkeit einräumen, Fragen an das Plenum zu stellen. Die Einwohnerfragestunde findet außerhalb einer Ausschusssitzung statt. Darüber hinaus können Einwohner/innen dort Anträge – nun in Form einer Einwohnerpetition – einbringen. Außerdem besteht die Möglichkeit, die Einberufung von Einwohnerversammlungen (orientiert an den Regeln der Hessischen Gemeindeordnung) über die Stadtverordnetenversammlung zu initiieren.
Entwicklungsprozess
Die Leitlinien für strukturierte Bürgerbeteiligung und die entsprechende Satzung wurden durch den Magistrat der Stadt Gießen erarbeitet. Anfang Dezember 2014 hat die Oberbürgermeisterin die künftigen Regelwerke im Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung und auf einer Bürgerversammlung vorgestellt. Die Vorschläge folgten einer lokalen Bürgerbefragung, an der sich rund 700 Bürger/innen beteiligten. Die Befragung ergab vor allem den Wunsch nach einer besseren Informationspolitik seitens der Verwaltung und mehr direkten Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung.
Bis zum 31. Januar 2015 bestand daran anschließend für die Bevölkerung die Gelegenheit, den Leitlinienentwurf online auf der Website »Gießen DIREKT« zu kommentieren oder eine entsprechende Mail bzw. einen Brief an die Oberbürgermeisterin zu schreiben. Einige Anmerkungen und Hinweise aus der Kommentierungsphase führten zu Änderungen im Leitlinien- und im Satzungsentwurf. Die Abwägung der Änderungsvorschläge wurde öffentlich dokumentiert.
Leitlinien für eine strukturierte Bürgerbeteiligung
Satzung zur Änderung der Bürgerbeteiligungssatzung (2023)
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