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Perspektiven für das ehemalige Archivgelände - Erfahrungen aus dem Beteiligungsverfahren »Georgsviertel Köln«


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Bürgerbeteiligung an besonders sensiblen und emotionsgeladenen Orten ist möglich – und lohnt sich!
Diese Erkenntnis kann im Rückblick auf das erfolgreiche Partizipationsverfahren "Georgsviertel - Perspektiven für das ehemalige Archivgelände" in der Kölner Südstadt gewonnen werden.
Das ehemalige Archivgrundstück ist untrennbar mit dem furchtbaren Unglück vom 3. März 2009 verbunden, das insbesondere den Tod zweier Menschen, die Vernichtung bzw. Beschädigung unersetzbaren Kulturguts und den Verlust von Heimat und Nachbarschaft zur Folge hatte. Insofern hat dieser Ort für Köln eine überragende stadtpolitische Bedeutung. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, eine tragfähige Zukunftsperspektive aufzuzeigen und die durch den Archiveinsturz entstandene bauliche Lücke zu schließen. Dies sollte in einem öffentlichen Dialog entwickelt werden.
Vor diesem Hintergrund entwickelte das Politikberatungsinstitut Martin Rüttgers im Auftrag der Stadt Köln ein Konzept für eine der Situation angemessene Form von Bürgerbeteiligung, die ebenso partizipativ wie effektiv die Planungen der Stadt qualifizieren sollte. In enger Kooperation mit der Volkhochschule wurden hierzu mehrere Partizipationsangebote entwickelt und moderierend begleitet. Wesentliche Bausteine waren eine Auftaktveranstaltung, mehrere Quartiersrundgänge, ein zweitägiger Workshop und eine abschließende Informationsveranstaltung.
Die Quartiersrundgänge wurden als niederschwelliges Angebot der Bürgerpartizipation von der Volkshochschule Köln konzipiert und koordiniert, um zwischen der Auftaktveranstaltung vom 11. April 2011 und dem moderierten Fachworkshop vom 15./16. Juli 2011 das Planungsgebiet unmittelbar erfahrbar zu machen und Fragen, Ideen und Anregungen in die Planungen einzuspeisen. Deren Ergebnisse wurden systematisch in die Konzeption und den Ablauf des anschließenden Workshops einbezogen. Insgesamt 57 Teilnehmende nutzten die Quartiersrundgänge zur Information und zur Partizipation.
Am Workshop, der von Martin Rüttgers und Mitgliedern des Kompetenzverbunds Bürgerengagement moderiert wurde, haben rund 70 Personen teilgenommen. Die Partizipation wurde an die Auflage gebunden, möglichst an beiden Tagen des Workshops teilzunehmen. Die Zusammensetzung dieses Teilnehmerkreises war sehr vielfältig. Unter anderem waren Kirchen, Senioreneinrichtungen, Initiativen, Vertreter/innen der Schulpflegschaften, Schüler/innen und Lehrer/innen der betroffenen Schulen, Architekten, Einzelhändler/innen, Eigentümer/innen im Planbereich, Anwohner/innen, Vertreter/innen angrenzender Projektentwicklungen, Gestaltungsbeirat, Kunstbeirat, Ratsmitglieder sowie Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung eingebunden. Die Teilnahme an den vier im Workshop angebotenen Arbeitsgruppen ist ein gutes Beispiel für den Ideenreichtum, die Kompetenz und die Diskussionsfreudigkeit der Kölner Bürgerschaft. Die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen lieferten der Stadtverwaltung weitere wichtige Hinweise zur Qualifizierung des Planungsverfahrens.
Im Rahmen des Prozesses musste die Stadtverwaltung  - insbesondere Volkshochschule und Stadtplanungsamt - (personelle) Ressourcen in erheblichem Umfang zur Verfügung stellen, um etwa die Quartiersrundgänge mit fachlicher Expertise zu begleiten. Zudem wirkten im Vorfeld und während des Workshops viele Expert/innen der Stadtverwaltung aus verschiedensten Dienststellen und Ämtern als »ressource persons« mit. Ohne diesen fachlichen Input hätte das Verfahren der Bürgerbeteiligung nicht derart erfolgreich abgeschlossen werden können. Die transparente Informationspolitik der Stadtverwaltung war ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Bürgermitwirkung im Rahmen von Auftaktveranstaltung, Quartiersrundgängen und Fachworkshop.
Die Bürgerschaft investierte in Prozess beachtliches Know-how an Ideen und Anregungen und zudem Zeit und Geld, um den Planungsprozess mit vielen interessanten und umsetzbaren Ideen, Anregungen und (kritischen) Fragen zu qualifizieren. Hierbei muss darauf hingewiesen werden, dass die Bürgerschaft keinen einheitlichen »Block« darstellt, sondern mit teils heterogenen Erwartungen und Interessen in den Beteiligungsprozess eingestiegen ist. Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund, dass trotz der Kürze der Zeit in einigen Punkten Übereinstimmung erzielt werden konnte. Dies spricht für die Bereitschaft der Teilnehmenden aus Politik, Verwaltung, Anwohnerschaft, Bürgergruppen, Geschäftsleuten und Schulen, sich auf einen Dialog einzulassen. Das abgefragte Feedback am Ende des Workshops belegt dies: Viele der Teilnehmenden sind motiviert, sich weiter in den Planungsprozess einzubringen.
Eine zentrale Erkenntnis mit Blick auf den Gesamtablauf der Bürgerbeteiligung im Georgsviertel lautet: Die Schaffung von möglichst umfassender Transparenz durch die Bereitstellung und Vermittlung wirklich aller planungsrelevanten Informationen ist elementare Basis für die hieran anknüpfenden Beteiligungsprozesse. Gerade im Kontext der Planungen für das ehemalige Archivgelände war es wichtig, den immensen Informationsbedarf von Bürgerschaft, Anwohner/innen, Gewerbetreibenden, Initiativen und Vereinen zu stillen. Hierzu war es erforderlich, dass kompetente Vertreter/innen der Fachämter der Kölner Verwaltung persönlich für zum Teil komplexe und sehr detaillierte Nachfragen zur Verfügung standen. Auf diese Weise wurde (in Ansätzen) neues Vertrauen zwischen Stadt und Bürgerschaft aufgebaut – ein Vertrauen, das gerade mit Blick auf den Einsturz des Stadtarchives bei vielen Kölner/innen (insbesondere auch solchen, die sich an den Planungen im Georgsviertel beteiligt haben) erschüttert worden war.
Diesen vertrauensbildenden Maßnahmen müssen weitere ernstgemeinte und gut vorbereitete Beteiligungsangebote folgen. Die Bürgerschaft wird nicht nur zunehmend kompetent, um Planungen zu qualifizieren, sondern auch immer kritischer hinsichtlich der Seriosität von Partizipationsverfahren.


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